Interview: Kathrin Knorr & Torben Brinkema, Fotos: David Koenigsmann & Four Music Productions
Englischlehrer. Schulsport. Aufsätze schreiben. Ne Fünf in Physik. Daran erinnert sich Mark Forster in Sachen Schule. Und findet: Das Leben nur strategisch zu planen ist Schwachsinn.
Hi Mark, kannst du dich eigentlich an deinen Abistreich erinnern?
Wir haben einen großen Arsch aus Pappmaché gebaut und den vor die Eingangstür unserer Schule gebaut. Da musste dann jeder durchmarschieren.
Stichwort Schulzeit: Was ist das Allererste, das dir dazu einfällt?
Wir waren eine sehr kleine Schule, insgesamt tausend Schüler und jeder Lehrer kannte alle Schüler. Das war sehr schön. Ich war die Art von Schüler, der jetzt nicht in allen Fächern gut war, aber ich hab mich mit den meisten Lehrern gut verstanden, sie sind echt auf uns eingegangen. Ich hatte eine glückliche Schulzeit, ja.
Hattest du Lieblingsfächer?
Deutsch! Aufsätze schreiben fand ich schön. Geschichte mochte ich gerne und Englisch. Musik war bei uns eher so Biografien auswendig lernen, von Mozart oder so. Mit Musikmachen hatte das nicht viel zu tun.
Und Hassfächer?
Na ja, was heißt Hassfächer… Physik an sich ist ja eigentlich spannend, aber ich hab es halt nicht gerafft. Ich hab mal in Physik eine Arbeit geschrieben und dachte: Cool, das ist auf jeden Fall eine Zwei oder sogar eine Eins. Da war ich echt sicher. Und dann kam die Arbeit zurück und ich hatte eine Fünf. Da dachte ich mir: Wenn ich nicht mal verstehe, dass es falsch ist, werde ich wohl kein Naturwissenschaftler.
Wen hast du lehrertechnisch heute noch im Kopf?
Oh ja, da gibt es einen: Herr Brüncker, ein Englisch- und Französischlehrer, der jeden Tag in einem andersfarbigen Anzug in die Schule kam. Im Englischunterricht hat er getan, als wäre er ein englischer Gentleman und im Französischunterricht hat er getan, als wäre er ein französischer Lebemann. Also er hat wirklich so Characters gespielt und sehr British English gesprochen, ist total in seiner Lehrerrolle aufgegangen und hat zwischendurch Vertrauenslehrer-Gespräche geführt. Da hat er immer plakativ sein Jackett ausgezogen. Er hat sein Lehrer-Ding richtig wichtig genommen wie in so ’nem Film. Das fand ich toll. Den hab ich bis heute nicht vergessen.
Schulsport – hast du das gemocht?
Das war super! Da hatten wir einen Lehrer, der das nicht so superernst genommen hat. Also bestand das eher darin, Fußball oder Basketball zu spielen.
Machst du auch jetzt gerne noch Sport?
Ich bin nie der große Sportler gewesen. Ich muss mittlerweile Sport machen, damit ich meine Konzerte spielen kann. Ich laufe viel und mach Übungen zuhause. Fitnessstudio ist nicht so meins.
Was würdest du heut anders machen als Schüler?
Ich war sehr hausaufgabenfaul. Das würd ich anders machen, weil es einem viel Stress erspart, wenn man sein Zeug halbwegs auf der Reihe hat.
Hattest du nach der Schule genaue Vorstellungen?
Nein, überhaupt nicht. Ich wollte studieren. Ich war erst in Mainz und hab dann nach Berlin gewechselt. Ich hatte das Gefühl, dass ich da hingehöre. Jura fand ich an sich erst mal spannend.
Und warum abgebrochen?
Ich hab Jura angefangen weil ich dachte: Clever, Jura = Kein Mathe. Ich hab dann aber festgestellt, dass man nicht nur wahnsinnig viel lernen muss, sondern dass man für Jura so einen Schalter im Kopf umlegen und die ganze Welt aus seinem Studiengang heraus sehen muss, mit so einer Art »Juristen-Brille«. Ich hab festgestellt, dass sich meine Freunde mit dem Studium geändert haben. Es gibt so Fächer, die das ganze Leben verändern, irgendwie. Und Jura gehört dazu. Und das wollte ich dann nicht und hab nach vier Semestern gewechselt und BWL studiert. Ich habe dann festgestellt, wenn man studiert und auch so spät noch wechselt, ist man auch konzentrierter als in der Schule.
Was war an der Uni besser als an der Schule?
Also ich fand tatsächlich schön an der Uni, dass man frei entscheiden kann, ob man hingeht oder nicht (lacht). Das hab ich auch genutzt.
Ist es gar nicht so schlimm, nach dem Abi noch nicht genau zu wissen, was man machen will?
Ich glaube, ich würde, wenn ich noch mal studieren würde, mehr etwas studieren, was mich echt interessiert. Ich hab Jura angefangen und aufgehört und BWL eher so nebenbei studiert, zwar zu Ende geschafft, aber hab mich nie in einem Studienthema so richtig verbissen wie ich das von Freunden kenne, die echt aufgegangen sind. Heute würde ich mir etwas aussuchen, was mich sehr interessiert, um dieses Eintauchen zu erleben.
Was wäre das dann?
Ich denke, Geschichte würde mir Spaß machen.
Dein Rat an dein planloses Kind nach dem Abi?
Mein Vater hat mir einen guten Tipp gegeben: Such dir was, was sich nicht anfühlt wie Arbeit. Und dann wird das am Ende schon alles gut laufen. Man sollte sich nicht zu früh schon Gedanken um seine Rente machen, ich hab das Gefühl, dass man sein Leben relativ strategisch gestaltet, heutzutage. Das halte ich für Schwachsinn. Ich glaube, es ist eine gute Idee, die Zeit zwischen Abitur und Rente mit etwas zu füllen, das Freude macht.
Wann war dir klar: Ich werd Musiker?
Na ja, ich fand das schon immer toll. Lieder zu schreiben und die zu singen. Aber wie schaffe ich es, dass das ganz viele Leute interessiert? Das wusste ich viele Jahre nicht. Ich hab das gar nicht wirklich als Berufswunsch gesehen, sondern hab das einfach jeden Tag gemacht und bin ganz normal arbeiten gegangen. Ich hab mir einen Job in der Medienwelt gesucht und beim Fernsehen lange Jahre als Redakteur gearbeitet und eine Fernsehserie mitproduziert. Das war eine schöne, kreative Aufgabe, aber ich bin trotzdem nach der Arbeit ins Studio gegangen und hab Musik gemacht. Und weil ich scheinbar ein sehr glücklicher Mensch bin, hat das dann irgendwann auch geklappt.
Was hat dich in deiner Kindheit am Dorf inspiriert?
Ich bin jetzt seit zehn Jahren in Berlin, das ist quasi mein ganzes Erwachsenenleben. In Berlin ist viel passiert. Aber was auf dem Dorf passiert ist, hat mir die Flausen in den Kopf gesetzt. Wenn man viel Zeit und Platz hat, kann man sich Sachen leichter zurechtspinnen, als wenn man immer umgeben ist von Optionen, wie in Berlin. Das Langeweile-Gefühl meiner Kindheit hatte ich schon lange nicht mehr. Als Kind hat mich das total genervt, aber im Nachhinein bin ich dafür mega dankbar, weil ich sonst auf ganz viele Träume und Gedanken gar nicht gekommen wäre.
Das heißt, du hast schon lange von dem geträumt, was du jetzt machst?
Ja klar! Ich hab mit meinen Playmobil-Männchen Bühnen gebaut und Konzerte gespielt. Und wenn ich für den Klavierunterricht üben sollte, hab ich meine eigenen Melodien gespielt und gewünscht, dass das mal im Radio kommt. Ich wusste aber nicht so recht, wie ich das machen soll. Mein Trick war, einfach niemals damit aufzuhören. Das Verrückte ist, dass man irgendwann tatsächlich besser darin wird und Leute anfangen, sich dafür zu interessieren.
Wie ist das jetzt für dich: Säle zu füllen?
Gute Frage. Wie ist es, bekannt zu sein? Das ist komisch, wenn man irgendwo hingeht und die Leute um einen herum haben einen Informationsvorsprung. Wenn ich ein Konzert spiele und viele Leute kommen, das ist natürlich das Schönste, was es gibt. Aber dann gibt es auch Situationen, wo man gar nicht unbedingt angesprochen werden möchte und dann wird man das aber trotzdem. Damit lerne ich jetzt, umzugehen und eine Haltung dazu zu entwickeln. Das ist nichts, was man sich wünscht. Das ist nicht das Ziel, das ich hatte, Autogramme schreiben. Wer dieses Ziel hat, dem kann ich sagen: Soviel Spaß macht das nicht! Mein Ziel ist, dass ich Musik machen kann.
Das Interview ist zuerst erschienen in audimax ABI, 2016.